Montag, 20. September 2010

Da kommt der Punsch!

Wie vermutlich schon jeder mitbekommen hat, habe ich hier oben ja extrem selten Uni. Aber wenn ich dann doch mal hinmuss, dann natürlich jedes Mal zu absolut gemeinen Zeiten. Diesen Freitag war ich doch tatsächlich gezwungen, morgens um sieben aufzustehen, um pünktlich um 8.15 auf der Matte zu stehen.

Um die maximale Menge Schlaf rauszuholen, suchte ich mir am Abend vorher die optimale Busverbindung mit dem geringstmöglichen Laufwaufwand - immerhin befinden sich mein Hirn sowie mein Bewegungsapparat vor 11 Uhr ausnahmslos im Kaffeepausenmodus.
Leider hatte ich nicht mit Murphy's Law gerechnet, denn natürlich fuhr der von mir auserkorene Anschlussbus in die völlig falsche Richtung.

Auf die Frage, was denn hier los sei, antwortete mir die Busfahrerin, dass meine Haltestelle und die gesamte Straße, in der sie sich befindet, bis Oktober gesperrt sei, weil Hollywood da einen Film dreht.
Leider wurde der Funke Sensationsneugier gleich im Keim erstickt, als sie mir verriet um welchen Film es da ging: vielleicht sagt einigen von euch die Millenium-Trilogie vom schwedischen Autor Stieg Larsson ja etwas, die in Deutschland etwas glücklos mit Verblendung, Verdammnis und Vergebung übersetzt wurde.

Die soll jetzt von Hollywood neu verfilmt werden, angeblich mit Daniel Craig in der Hauptrolle. Reicht es nicht schon, dass mir dieser Kerl James Bond für immer verdorben hat - muss es jetzt auch noch meine Lieblingskrimitrilogie sein?
Die schwedische Verfilmung ist zwar noch kein Jahr alt, durchwegs gelungen, war nicht nur im Norden erfolgreich und hat vor allem meiner Meinung nach bei der Besetzung vor allem von Lisbeth Salander die Faust ja sowas von aufs Auge getroffen, aber das scheint die Amis nicht zu interessieren, wieso auch - lässt sich ja Geld damit machen.
Da möchte man eigentlich nur noch brechen.

Nun, ich kam jedenfalls zu spät zum Kurs (die Struktur der schwedischen Sprache, kann mir mal jemand verraten wieso ich mir ausgerechnet einen Grammatikkurs ausgesucht habe?), saß dort meine Zeit ab und fuhr auch schon wieder nach Hause. Doch die nächste Aktion stand schon bevor: für den Abend stand das Reccegasque an.

Unter einem Gasque versteht man in Uppsala eine Art großes Abendessen, bei dem sich jeder schick anzieht, ein Dreigängemenü und dazu unglaublich viel Schnaps serviert wird.
Dieses hier war speziell für die neuen Studenten gedacht. Vorher hatte man uns immer wieder vom ominösen Dresscode erzählt, was zur Folge hatte, dass wir uns alle ziemlich viele Gedanken über unsere Klamotten machten. Dabei stellte es sich als besonders schwer heraus, ein Kleid zu finden, dass mindestens bis ans Knie reicht. Aus irgendeinem Grund hatte ich trotz völliger Unwissenheit sogar eins eingepackt, wobei ich mir aber trotzdem noch unsicher war, ob die Länge reichen würde.
Wie sich dann am Treffpunkt herausstellte, hätten wir uns diese Sorgen sparen können. Entweder hatten einige meiner Kommilitoninnen nur geringe Kenntnisse bezüglich der anatomischen Lage des Knies oder man musste diese ganze Geschichte einfach nicht so eng sehen.

Wir sammelten uns also vor dem Haus unserer Nation und zogen dann durch Uppsala Richtung Universitätshaus. Dabei lief und ein Fahnenträger voran, dem wir brav in Zweierreihen folgten. Unterwegs schlossen sich noch diverse andere Nations an, bis wir dann auf dem Vorplatz vor dem Universitätshaus mit sämtlichen Nationen aus Uppsala zusammentrafen. Spätestens als dort dann eine Punkerin mit Springerstiefeln und lila Iro neben mir in der Reihe stand, wusste ich, dass ich das mit dem Dresscode überbewertet hatte.

Doch ich hatte an diesem Abend die Chance gesehen, mal meine neuste Errungenschaft in Sachen Schuhwekr auszutesten. Weil dem realistisch denkenden Teil in mir klar war, dass ich unmöglich durch halb Uppsala auf 8cm-Absätzen laufen konnte, hatte ich in weiser Vorraussicht meine Chucks angezogen und die Schuhe in einer Tasche mitgenommen. Vor dem Universitätshaus sah ich meine Chance gekommen, wechselte sie und überragte plötzlich die meisten Anwesenden.
Als sich der Zug kurze Zeit später wieder in Bewegung setzte, musste ich leider feststellen, dass ich in diesen Schuhen gar nicht laufen konnte. Also gar nicht im Sinne von ich breche mir sonst sofort beide Knöchel.
und so war der kurze Ausflug in das Land des Stils auch schon wieder beendet - in meinen mehr als kaputten Chucks sah ich zwar nicht mehr ganz so stilvoll aus, fühlte mich aber gleich besser.

Nachdem uns der Unirektor begrüßt hatte, zog jede Nation wieder in ihr jeweiliges Haus zurück und das große Fressen begann. In den Nationen wird ja alles von Studenten für Studenten organisiert, so auch dieses Abendessen (was auf schwedisch lustigerweise middag heißt). Es gab trotzdem kein Kantinenessen, sondern ein richtig gutes Drei-Gänge-Menü. Dazu gab es Schnaps, Bier und Wein.

Das Essen wurde ständig unterbrochen, um ein Lied zu singen, eine Rede zu hören und sich danach beim Redner mit einem Lied zu bedanken und so weiter - und nach jedem Lied wurde einander zugeprostet. Das hatte zur Folge, dass ich schon nach der Vorspeise ziemlich angeheitert war, und ich bekam den ganzen Abend keine Chance, das wieder zu ändern. Wir haben uns sicher einmal quer durch das schwedische Schnapsliederrepertoire gesungen (und das ist quasi unendlich). Wie beim letzten Mal endete das Essen damit, dass alle auf den Stühlen tanzten, die Stimmung am Kochen war und eine schier endlose Afterparty folgte.

aus irgendeinem Grund saßen wir den haben Abend mit unseren Servietten auf dem Kopf da. Erst als wir fröhlich zu "Da kommt der Punsch" ansetzten, durften wir sie wild umherschwingen und wieder auf die herkömmliche Art und Weise benutzen


Leider machte sich irgendwann der übermäßig genossene Schnaps bemerkbar und bescherte mir eine unschöne Nacht und einen Samstag, den ich grötßenteils in der horizontalen im Bett verbrachte. Dabei hatte ich exakt die gleiche Menge intus wie sämtliche meiner Tischnachbarn... wie machen diese Schweden das nur?!

Weil mir nach diesem Wochenende der Sinn erstmal nach möglichst wenig Menschen stand, habe ich heute einen Nationalpark besucht. Dort war es wie erwartet unglaublich schön und einsam. Doch wie das Leben so spielt, wenn der Zufall regiert: ich stehe unschuldig am Parkplatz, der an einer einsamen Schotterstraße liegt und lese mir nichtsahnend die Informationstafel durch - was fährt mit überhöhter Geschwindigkeit an mir vorbei?

Das Google-StreetView-Auto, das mit der Kamera auf dem Dach sämtliche Straßen für das neueste Google-Programm filmt^^

Soviel denn zum Thema in der Wildnis...






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