Sonntag, 14. November 2010

Nykterhetsvännerna bjuder på glöggfylla



Uppsala im November hat etwas unrealistisches.
Die Sonne geht mittlerweile um 15:20 unter, was bei meinen Schlafgewohnheiten dazu führt, dass ich von der hellen Phase meistens nicht sehr viel mitbekomme und dann auf die Stadt treffe, wenn sie kahl, nass und finster vor mir liegt.
Der Mann mit dem Akkordeon, der vor ein paar Wochen in der Fußgängerzone aufgetaucht ist, verwandelt den Ort in ein surreales und verdammt nasskaltes Möchtegern-Paris, wo an allen Ecken bunte Lichter die kahlen Bäume beleuchten. Das Kulturamt von Uppsala möchte nämlich der Winterdepression entgegenwirken, indem über die ganze Stadt Lichtinstallationen in allen Farben verteilt wurden - das ist schon nüchtern ein höchst unwirkliches Erlebnis, man stelle sich das Ganze mal gut angeschwipst vor.

Ansonsten habe ich den Besuch vom Basti genossen, einen Tag im Schneesturm mit der Suche nach dem Migrationsamt verbracht, um mich endlich hier in Schweden anzumelden, die 10 cm Schnee genossen, die leider gerade am abtauen sind und diverse Korridorpartys erlebt. Zu diesem Zweck fährt man am besten nach Flogsta, einem Studentenwohnheim am anderen Ende der Stadt. Gerüchten zufolge soll der Supermarkt dort den größten Umsatz an Alkohol in ganz Schweden machen - und dabei darf dort nur Bier bis zu 3,5 % verkauft werden, alles andere muss man sich im staatlichen Alkoholladen besorgen - zu horrenden Preisen.
Das hält in Flogsta aber keinen ab - dort ist immer irgendwo jemand am feiern. Wenn man richtig Spaß haben will, sucht man sich dazu am besten noch Kölner Austauschstudenten, drückt selbigen einen grünen Borat-Mankini und eine CD mit deutschem Liedgut in die Hand, und schon wird der Abend legendär - also nicht weiter wundern, wenn man vermehrt Schweden begegnet, die mit Begeisterung "Disco Pogo, dingelingeling" grölen.

Und so geht meine Reise weiter, immer auf der Suche nach guter Musik, bezahlbaren Lebensmitteln und weiteren Absurditäten der schwedischen Sprache:
Neben der bereits erwähnten krawallpolis bieten auch die nykterhetsvänner ("Freunde der Nüchternheit") Anlass zum Hochziehen einer Augenbraue, ebenso wie der nach der Stadt Gällivare benannte gällivare-hängare (Bauarbeiterdekolleté). Wer den ganzen Tag im Bett vergammelt hat, kann das beschönigend sovmorgon (Schlafmorgen) nennen und sogar das beabsichtigte Trinken von zuviel Glühwein hat eine eigene Bezeichnung: Glöggfylla.