Dienstag, 21. Dezember 2010

The Long Way Home

Da ist er also, der letzte Tag in Schweden.
Wie zum Hohn beschehrte mir das Wetter einen letzten glasklaren und wunderschönen, wenn auch saukalten Tag und führte mir gekonnt vor Augen, was ich heute verlassen würde.

Ich habe nie an Heimweh gelitten, das Fernweh hat immer überwogen und mich weggezogen. So bin ich gelinde gesagt leicht verwundert, dass ich mich tatsächlich aufs Heimfahren freue. Ich freue mich, mein altes Leben wieder zu treffen, Freund vor allem, Familie, Mitbewohner, Freunde, gute Musik beim weggehen, studentenfreundliche Alkoholpreise, Nürnberg, ja sogar das heimatliche Kaff, es ist faszinierend.

Trotzdem fahre ich mit einem lachenden und einem weinenden Auge.

Meine Begeisterung für Schweden hat dieser Aufenthalt nicht gemindert, im Gegenteil - ich habe hier ein halbes Jahr lang Tag für Tag diesselbe Magie und Faszination gespürt wie in all den Urlauben davor.
Ich habe die schwedische Dunkelheit mögen gelernt, die schwedische Melancholie vergebens gesucht, überall dem Klischee widersprechende offene, freundliche und fröhliche Menschen getroffen (wenn man von meinen Mitbewohnerinnen mal absieht) und mich in Uppsala verliebt.

Ich habe gelernt, dass gute Studienbedingungen auch ohne Studiengebühren möglich sind, bin hier weitaus lieber in die Uni gegangen und habe vielleicht sogar meine Motivation wiedergefunden, wer weiß...

Aber jetzt beginnt mal wieder ein neuer Abschnitt, und den werde ich genauso genießen wie das letzte halbe Jahr, denn ich habe mein altes Leben tatsächlich erst verlassen müssen, um es schätzen zu können.

Aber falls es mir in Deutschland mal zuviel werden sollte - ihr wisst ja, wo ihr mich dann findet.

Montag, 6. Dezember 2010

Im Norden nichts neues


Joa, zu berichten gibt es eigentlich nicht besonders viel - es sei denn man interessiert sich für die Beschaffenheit von Schnee und Dunkelheit.
Ich wache jeden morgen in einer Art Wintermärchenwunderland auf, voller verschneiter Bäume, Häuser und Straßen. Jeden Tag schneit es ein bisschen mehr, jeden Tag wird es noch ein bisschen weißer. Die Temperaturen kletterten schon auf bis zu -20 Grad, doch während wir momentan wieder bei tropischen -1 Grad schwitzen, schaut die Sonne meistens gar nicht vorbei, und wenn doch, verabschiedet sie sich spätestens gegen 14 Uhr wieder und weicht einer langsamen Dämmerung. Um 15 Uhr ist es nacht.
Ob ich den Winter deshalb schon satt habe?
Sicherlich nicht - nachdem ich nun endlich herausgefunden habe, wie viele Schichten Klamotten es braucht, um auch bei -20° nicht zu frieren! Der schwedische Winter hat seinen ganz eigenen Charme. Die orangenen Straßenlaternen und das Licht, welches durch die Fenster nach draußen fällt, werden vom Schnee reflektiert und ergeben einen unwirklichen Schein, der sich über die Stadt legt und beinahe etwas gemütliches ausstrahlt. Es ist nicht so finster, wie man denken mag, im Gegenteil wirkt es eher so, als würde alles um einen herum leuchten.

Ob es nun -5 oder -15° hat, macht nicht mehr wirklich einen Unterschied, und man weiß wenigstens, was man zu erwarten hat (auch wenn die schwedische Bahn jedes Jahr aufs Neue vom Winter überrascht wird).
Richtig spannend wird es allerdings, wenn man bei einer zweistelligen Minuszahl versucht, das Auto anzulassen - nachdem man circa dreißig Minuten damit vebracht hat, es aus dem Schnee zu graben...
Auch universitätstechnisch gibt es einen Erfolg zu vermelden: Nachdem ich in Erlangen vier Semester meines Lebens damit verschwendet habe, mehr oder weniger sinnlos arabische Grammatik in mich hineinzuprügeln ohne jemals auch nur die einfachsten Grundlagen mündlichen Sprachgebrauchs zu lernen (dafür aber Wörter wie das Verb für eines gewaltsamen Todes sterben, Sozialökonomie oder Genossenschaft), hatte ich die Hoffnung ja schon aufgegeben.
Doch um meine Studienordnung abzuarbeiten, fehlte mir ein Dialektkurs, welchen ich hier in Uppsala momentan belege. Und, oh Wunder, der Dozent hat in knapp zwei Wochen das vollbracht, woran Erlangen in zwei Jahren gescheitert ist - mir mündlichen arabischen Grundwortschatz beizubringen, der mich befähigt, einen arabischen Gesprächspartner tatsächlich zu verstehen - oder selbst in der Lage zu sein, mündlich Sätze zu bilden. Ich bin selbst immer noch leicht verwundert darüber, dass das so einfach sein kann.
Der Dozent ist übrigens blind...

Eine letzte kuriose Nachricht habe ich noch zu vermelden: Nachdem ich mit knapp dreimonatiger Verspätung endlich mein Bafög bekommen hatte, habe ich brav den Bescheid an die GEZ geschickt, damit diese mich wie die Jahre zuvor auch von den Gebühren befreien können - mit dem Resultat, dass sie jetzt meinen Schwerbehindertenausweis sehen wollen.

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