Das sehe sogar ich als erklärter Gegner von Stereotypen ein, denn manchmal holen sie dich schneller ein, als du fortlaufen kannst.
So überraschte es mich nicht wirklich, als vor zwei Wochen das Oktoberfest in Uppsala angekündigt wurde. Zu diesem Zweck wurde ein riesiges bierzelt auf dem Marktplatz aufgebaut. Aber dem nicht genug, auch einige Nationen, darunter meine, ließen sich diese Event nicht entgehen - und weil meine finnische Freundin der Meinung war, als deutsche dürfte ich das nicht verpassen, schleppte sie mich umgehend dorthin, ohne auf meine leisen Einwände zu achten.
Die Bar war in blau-weiß dekoriert und man hatte versucht, mit Tischen die Bierbankatmosphäre so gut wie möglich nachzuahmen. Das gelang nur teilweise, wurde aber von den begeisterten Schweden wettgemacht, die es sichtlich genossen, ihr Bier aus Masskrügen zu trinken. Es gab sogar Original Münchner Oktoberfestbier, doch was dem ganzen den letzten Schliff gab war ohne Zweifel die Musik - neben Akkordeon-Schunkelei erinnerten mich die Atzen, das Rote Pferd und die Aufforderung, endlich mein Lasso rauszuholen an das, was ich aus Deutschland sicherlich nicht vermisse.
Tags darauf stand mir der Sinn mal wieder nach einer langen Autofahrt. Dazu holte ich mir ein bisschen Gesellschaft - neben einer anderen deutschen Skandinavistikstudentin befanden sich noch zwei Spanierinnen an Bord. Diese sprachen kein Schwedisch, und so war ich nach langer Zeit gezwungen, wieder einmal Englisch zu sprechen, denn auch wenn mir im Schwedischen immer noch ständig Worte fehlen, versuche ich grundsätzlich, trotzdem nicht auf Englisch auszuweichen - das klappt so gut, dass ich an diesem Wochenende merkte, dass mir grundsätzlich alles erst einmal auf Schwedisch einfiel, bevor die englischen Worte in meinem Kopf auftauchten.
Ich finde das ist ein sehr gutes Zeichen.
Wir machten uns also auf den langen Weg nach Norden. Zwar hatten wir nicht Schwedens nördlichste Gegend als Ziel, dafür aber die höchstgelegene: Härjedalen. Eine Provinz, die größtenteils aus Fjäll, Wald und Rentieren besteht und nur einen Menschen pro Quadratkilometer beherbergt.
Ich hatte die Gegend aus zahlreichen Urlauben im Gedächtnis, war allerdings schon Jahre nicht mehr dort gewesen.
Je weiter nach Norden wir fuhren, desto herbstlicher wurde es um uns herum. In Härjedalen selbst war der Herbst vorbei, die wenigen Laubbäume standen größtenteils schon kahl da - und es lag Schnee.
Wir fuhren über die höchstgelegene schwedische Straße, eigentlich eine Schotterpiste, die mitten über das Fjäll führt und über der Baumgrenze liegt. Von dort aus hatte man einen grandiosen Rundblick über die umliegenden Berge - leider war der Wind schneidend und schweinekalt, so dass wir uns ziemlich bald wieder ins warme Auto setzten und weiterfuhren.
Der Plan war, über nacht in einem kleinen Dorf mitten im Niemandsland zu übernachten. Dort sollte es laut Internet ein "Vandrarhem" geben, das ganzjährig geöffnet hatte. Offen war es in der Tat - allerdings war weit und breit niemand zu sehen, den man um ein Zimmer hätte bitten können. So riefen wir eine Nummer an, die an der Haustür befestigt war. Der Mann am anderen Ende erklärte uns, dass wir uns einfach den Schlüssel zu Zimmer Nr 1 von einem Haken hinter der Tür nehmen und morgen vor der Abfahrt das Geld in einen Briefumschlag in die Küche legen sollten. Das funktioniert so wohl auch in keinem anderen Land...
Am nächsten Morgen machten wir uns auf den Rückweg, allerdings über eine andere Strecke. Diese führte uns durch die Wildnis von Härjedalen, bei der abgesehen von ein paar Rentieren und selten einmal einem durch die Bäume blitzenden Häuschen nicht viel mehr als Moor, Wald, Berge und in unserem Fall Schnee auftaucht - aber das alles in großartiger Kombination.
Allerdings sollte man vorher ans Tanken gedacht haben, denn sonst kann es bei Entfernungen wie diesen schon einmal zu unangenehmen Engpässen kommen.
Einen Abstecher zu Schwedens größten Wasserfall gabs auch noch, ehe wir wieder heil in Uppsala ankamen - an dieser Stelle eine Verbeugung vor meinem Auto (Hubert aka das Tarnkappenmobil), der hat sich jetzt eine ordentliche Nachfüllung Öl vertragen.
Faszinierend an dem ganzen Trip finde ich, dass wir bei einem zurückgelegten Weg von mehr als 1000 km nur an zwei Ampeln vorbeigekommen sind.
Ansonsten - ich bin durchaus froh, dass wir hier in Uppsala noch keinen Schnee haben und genieße den schwedischen Herbst in vollen Zügen - es ist zwar kalt, aber sonnig, und das sollte man genießen, bevor die im Winter nicht mehr aufgeht!
Wenn ich mich also nicht auf große Fahrt begebe, mich mit obskuren Schweden herumschlage, mir Körperteile durchstechen lasse oder vergeblich versuche, das Leihsystem der Unibibliothek zu durchschauen, dann findet ihr mich mit ziemlicher Sicherheit irgendwo in dieser Stadt mit breitem Grinsen umherwandeln - jag trivs jättebra här!
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