In der Tat, es ist ne Weile her, seit ich ein Lebenszeichen von mir gegeben habe - inmitten von Wäldern, Wölfen und einem Kofferraum (naja, Rückbank) voller billigem deutschen Bier mitten im schwedischen Wald vergisst man schonmal Zeit und Raum.
Nach einem sehr entspannten Urlaub in Värmland bin ich zwar mittlerweile in Uppsala angekommen, aber viel verändert hat sich eigentlich nicht. Man muss zum Einkaufen zwar nicht mehr 30 km weit fahren, aber davon, dass Uppsala die viertgrößte Stadt Schwedens sein soll, merkt man nicht viel - kein Wunder, toppt sie von der Einwohnerzahl gerade einmal Erlangen.
Macht nichts, die Stadt liegt voller schnuckeliger alter Häuser zwischen Dom und Schloss an einem Fluss, die weniger schnuckeligen Studentensilos nach Norden ausgelagert - zumindest meins.
Ich war ziemlich überascht, als ich um 6 Uhr morgens völlig übermüdet den Schlüssel herumdrehte und in etwas hineinstieg, das man gemeinhin als Diele, mit etwas Wohlwollen aber auch als begehbaren Kleiderschrank bezeichnen kann.
Für ein Studentenwohnheim ist mein Zimmer geradezu riesig - und was noch schöner ist, mit eigenem Bad. Dafür ist die Küche so mies ausgestattet, dass erstmal eine Fahrt zur IKEA anstand - aber wer will denn kleinlich sein.
Zusammen mit Basti habe ich die Woche daher vor allem damit verbracht, aus organisatorischen Gründen die ganze Stadt zu durchlaufen, so exzessiv Karten zu lesen, dass mir der Stadplan von Uppsala auf ewig ins Hirn eingebrannt ist, ab und an zu verzweifeln, die angebliche schwedische bürokratische Effizienz zu vermissen, mich außerdem an die astronomischen Alkoholpreise zu aklimatisieren und mir dabei nicht wie nach zwei Jahren Schwedischunterricht, sondern nach einem einstündigen Crashkurs von einem betrunkenen Bären vorzukommen.
Uppsala wirkt wie eine typische Studentenstadt und entspricht dem auch, zumindest für schwedische Verhältnisse. Ein Unterschied springt einem aber sofort und ständig ins Auge, wann immer man auch mit studentischen Themen in Berührung kommt:
Das studentische Leben, also Parties, Essen, Studentenkneipen und dergleichen wird hier nicht nach Außen gegeben, sondern von einem unieigenen und auch weitgehend einzigartigen System organisiert - den sogenannten Nationen.
Die sind nach alten schwedischen Provinzen benannt, und ähnlich wie bei uns dem Studentenwerk muss man sich hier eine aussuchen und dort einen gewissen Beitrag zahlen. Man bekommt dabei aber weit mehr als nur billiges Mensaessen - jede Nation hat ihr eigenes Haus, meistens altehrwürdige Gebäude, in denen die Mitglieder ein zweites Zuhause finden sollen. Dort gibt es ein Cafe, einen Pub, manche haben Sportvereine und veranstalten alles vom berühmten schwedischen Fika (nein, nicht was ihr denkt - man trinkt dabei viel Kaffee, aber das allein beschreibt es nur ungenügend) über Spieleabende bis hin zu Dinnerparties und Diskoabenden.
Bei der Betrachtung von letzterem wurde mir denn auch gleich etwas blümerant:
Wenn ich mir deren Programm so ansehe, scheinen das musikalisch harte Monate zu werden - die Studenten hier scheinen ziemlich auf Dance, House und andere ominöse angebliche Musikrichtungen zu stehen, mit denen ich leider gar nichts anfangen kann.
Wo bleibt der berühmte schwedische Metal? Ach ja - die sind gar nicht erst studieren gegangen, sondern haben nach dem Musikgymnasium direkt eine Band gegründet, Erfolg gehabt und genießen nun anderswo moderatere Bierpreise^^
Heute ist mit dem Basti mein letzter deutscher Stützpunkt abgeflogen und ich bin nun auf mich allein gestellt - womit ich prinzipiell kein Problem habe, aber an dieser Stelle möchte ich ganz untrue meinen Freund grüßen und ihm sagen, dass ich ihn jetzt schon vermisse [/KitschOff]
Bleibt mir noch abschließend die Entscheidung, welcher Nation ich mich denn nun anschließe - Stockholm fällt auf jeden Fall raus, denn da bisher noch kein Bafög eingetroffen ist, kann ich deren Wahlspruch „Money never sleeps“ wohl nicht gerecht werden (eigentlich kann ich das auch mit Bafög nicht^^). Bleiben nur noch 12 übrig, die sich alle nur in Kleinigkeiten zu unterscheiden scheinen - Värmland, Östgöta, Västgöta, Småland...
Oder doch lieber Gotland, wo getreu dem Slogan („Where you get your sheep thrills“) einmal im Herbst Lammsköpfe serviert werden?
Wir werden sehen...
2 Kommentare:
Heey deine Schwester kann nicht schlafen und wirrt im Internet rum.
Endlich mal wieder was zu hören von dir, ich hab schon gedacht die Schwingungen der schwedischen Einsamkeit haben dich verrückt gemacht und du lebst jezt in einer alten Villa im Wald und spielst Orgel. Naja zugegeben, ich fänds cool.
Aber wie ich gelesen habe geht es dir ja gut und das ist toll^^.
Lass mal wieder das Telefon daheim klingeln^^.
Liebe Grüße
Annika
Hallöchen,
freue mich auch von dir zu hören und dass es dir gut geht!
Du scheinst da mehr Glück zu haben, als mein Bruder. Der is ja in Bolivien und muss, zusammen mit seiner Freunden, bei einem verrückten Padre wohnen (nat. getrennte Zimmer, das des anderen dürfen se nichtmal betreten)... jeden Tag 6h Frühmesse und noch diverese andere, was alles in allem 3h Kirche pro Tag macht:-P
Das mit diesen Nationen klingt lustig. Bin gespannt, für welche du dich entscheidest!
Bis bald,
Nina
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